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exhibition

Der belgisch-tunesische Künstler Karim Ben Khelifa berichtet seit über 20 Jahren in Kriegsgebieten. Seine künstlerische Praxis befasst sich mit den «Narrativen des Krieges» und untersucht, wie Geschichten konstruiert und im Prozess der Entmenschlichung zur Rationalisierung von Gewalt eingesetzt werden.
Seine Einzelausstellung mit dem Titel «In 36.000 ways» ist eine dynamische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Kriegsführung, unter Einbeziehung von Fotografie und Skulptur. Ben Khelifas Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft. Sie wurzelt in der Erkundung von Kriegsgebieten, wissenschaftlichen Untersuchungen und der Ergründung militärischer Terminologie.
Im Mittelpunkt von «In 36.000 ways» steht ein gewöhnliches, jedoch wirkungsvolles Objekt: Schrapnell, das der Künstler an einer Frontlinie in der Südukraine gesammelt hat. Ben Khelifa betont die seltsame Ausstrahlung dieser Metallfragmente und vergrößert sie, um Formen freizulegen, die an alte Relikte und Artefakte erinnern.In einer einzigartigen, raumbezogenen Installation hängen zerklüftete Metallteile in der Luft, die auf ihrem tödlichen Weg erstarrt sind, und bilden eine bedrohliche Formation vor den weißen Wänden der Galerie. Einst Teil eines gewaltvollen Kontextes, werden diese Objekte nach ihrer Detonation neu kontextualisiert und erhalten so eine neuwertige Aussagekraft.
«In 36.000 ways» zeigt eine sinistre Verschmelzung von Spitzentechnologie und einem der ältesten und primitivsten Triebe der Menschheit: dem Drang zu töten und zu dominieren. Diese Fragmente, die aus fortschrittlicher Materialwissenschaft, ballistischen Studien und Aerodynamik hervorgegangen sind, wurden in der sterilen Umgebung von Militärlabors entwickelt. Das Streben nach zerstörerischer Exzellenz unterstreicht jedoch einen harschen Widerspruch: Unsere technologischen Fortschritte sind nicht mit einer moralischen Entwicklung einhergegangen.
Verletzungen durch moderne Splitterwaffen wie die russische S-300-Rakete, die bis zu 36.000 rasiermesserscharfe Splitter freisetzen kann, spiegeln die Wunden wider, die durch Urzeitwaffen verursacht wurden. Dieselbe ursprüngliche Grausamkeit wird widergespiegelt: Sie zerreißen Fleisch, brechen Knochen, durchbohren lebenswichtige Organe und werden dabei immer effektiver. Diese von Menschenhand geschaffenen Werkzeuge erinnern uns eindringlich an unser unaufhörliches Streben zur Beherrschung durch Gewalt.
Karim Ben Khelifa regt die Besucher:innen dazu an, darüber nachzudenken, wie diejenigen, die an der Kriegsführung beteiligt sind, insbesondere diejenigen, die weit von der Front entfernt sind, sich der Verantwortung für ihre Handlungen entziehen. Er erreicht dies durch die Gegenüberstellung des rohen Objekts mit der gesäuberten, wissenschaftlich geprägten Militärsprache, die Effizienz und Leistung betont.

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