25

exhibition

Der zeitgenössische Künstler Christian Thoelke kuratiert die Ausstellung. Er stellt Stadtansichten des geteilten Berlins aus der Kunstsammlung der Berliner Volksbank eigenen aktuellen Gemälden verlassener DDR-Architekturen gegenüber und stellt die Frage, wie die Utopien von damals noch heute unsere Gegenwart beeinflussen.

  Christian Thoelke, 1973 in Ost-Berlin geboren, erlebte die DDR und ihren Zerfall hautnah mit. Die Widersprüche, Hoffnungen und Enttäuschungen dieser Zeit prägen sein künstlerisches Schaffen. Seine Biografie ist eng verknüpft mit den städtischen Räumen, die in der Ausstellung Paradies im Zentrum stehen. Thoelkes Bilder kommentieren die Transformation einer Gesellschaft als Prozess des langsamen Verschwindens – rissige Waschbetonfassaden, ein vernagelter Konsum, von Unkraut überwucherte Orte, an denen eine gesellschaftliche Utopie an der Realität zerbrach. Seine Bildwelten entstehen aus Erinnerungen, Fotografien, Beobachtungen – sie wirken dokumentarisch, sind aber sorgfältig konstruiert, gemalt mit präzise-sachlichem Pinselstrich. Sie halten fest, was in der Logik der Ökonomie längst keinen Platz mehr hat: Relikte des sozialistischen Städtebaus, die ursprünglich das kollektive Leben organisieren sollten, heute aber im Zuge der durch Abwanderung geprägten Entwicklung seit den 90er Jahren vielfach verlassen und vergessen sind.   Entstanden in den letzten Jahren sind Thoelkes Werke Sinnbilder einer Gesellschaft, die sich neu definieren muss – so wie Ostdeutschland nach 1989. Die nahezu vollständige Abwesenheit des Menschen in den Bildern lässt Raum für eigene Interpretationen, Assoziationen und Emotionen – was macht es mit einem Ort, der nicht mehr gebraucht wird, was macht das mit den Menschen, die dort leben? Dieser aktuellen Perspektive stehen rund 60 Stadtdarstellungen aus der Kunstsammlung der Berliner Volksbank gegenüber. Sie stammen von Künstler:innen aus der DDR wie Manfred Butzmann, Ursula Strozynski oder Ulla Walter und Westdeutschen Zeitgenossen wie Rainer Fetting, K. H. Hödicke oder Barbara Quandt.   Sie zeigen Berlin in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – eine Stadt zwischen Begrenzung und Aufbruch, zwischen innerer Leere und äußerer Veränderung, ebenfalls fast menschenleer. Während die Werke der Künstler:innen dieser Generation Zeitdokumente des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs der Nachkriegszeit sind, fragen Christian Thoelkes Bilder eindringlich aber nicht ohne Empathie, was nach dem erneuten Systemwechsel von den Hoffnungen und Träumen geblieben ist. Angesichts der drastischen sozialen, politischen und ökologischen Veränderungen, denen wir uns abermals gegenübersehen, betrachtet Paradies das künstlerische Vermächtnis der DDR nicht als abgeschlossenes Kapitel, sondern als Resonanzkörper brandaktueller Fragen: Welche Visionen füllen die Leerstellen von damals? Wie erleben wir Wandel heute – als stille Beobachter oder aktive Gestalter? Und schließlich: Wie wollen wir leben?   Paradies läuft bis zum 7. Dezember und rundet das 40-jährige Jubiläum der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank und der Kunstsammlung der Berliner Volksbank ab.      
  Christian Thoelke, Würfel, 2025 Öl auf Leinwand, 150 × 200 cm  © Christian Thoelke Foto: Nguyen Xuan Huy   Ausstellungsansicht „Paradies“, Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank © Nachlass Kurt Mühlenhaupt, Dietrich Noßky, Christian Thoelke Foto: Natalia Carstens Photography
Cookie Consent mit Real Cookie Banner