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exhibition

Paris galt vom 19. Jahrhundert bis in die 1950er Jahre weltweit als „die“ Kunstmetropole. Von dem Augenblick an, da New York, beflügelt durch den Erfolg des Abstrakten Expressionismus, die Wende einläutete und Paris entthronte, wendeten sich alle Augen von der Stadt an der Seine ab. Doch seit einigen Jahren steht sie wieder im Fokus medialer Wahrnehmung. Nicht nur, weil sich internationale Galerien dort niedergelassen haben, sondern auch, weil die Art Basel, die weltweit größte Kunstmesse die ehemalige FIAC übernommen hat. Wie sehr Paris in aller Munde ist, so wenig ist von den dort ansässigen Künstler*innen die Rede.

Mit dem aktuellen Themenband von KUNSTFORUM-International „Made in Paris“ liefert der Gastherausgeber Heinz-Norbert Jocks einen breiten Überblick über die Diversität und die Besonderheiten der Pariser Szene. Da ihm am Herzen lag, Werke von in Paris lebenden Künstler*innen, von denen nur wenige bisher in Deutschland ausgestellt haben, erstmals zu zeigen, hatte er die Idee, parallel zum Erscheinen des Themenbandes eine Ausstellung in unserer Galerie zu kuratieren, um einen Eindruck von der künstlerischen und thematischen Vielfalt zu geben. Sie umfasst Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen, Keramik, Fotografie und Video von insgesamt 12 Künstler*innen.

Im Mittelpunkt der fotografischen Recherchen von Stéphane Couturier stehen die Architektur und die Stadt als eine auf der ganzen Welt sich ständig verändernde Realität.

Der Schweizer Thomas Buswell, bei dem, Zeichnung, Malerei, Skulptur, Installation und Klang ineinander übergehen, suggeriert Spannungen zwischen Natur und modernem Komfort, zwischen Anziehung und Abstoßung und imaginiert sich ein individuelles Ökosystem.

Edi Dubien, dem von der Art Brut inspirierten Autodidakten, geht es um das Tier als Symbol unseres verlorenen Instinkts und als Spiegelbild des Menschen. Er plädiert für eine Gleichheit zwischen beiden, während Emile Degorce Dumas, der als Keramiker und Maler antike Mythen mit seinem Alltag vermischt, einen Dialog zwischen Intimem und Universellem, Trivialem und Heiligem kreiert, um an das Fortleben der ältesten Erzählungen in unseren banalsten Gesten zu erinnern. Einige seiner Werke widmen sich dem Antimachus, einem giftigen, dem größten Schmetterling der Welt, von dem weder Raupe noch Kokon bekannt sind, und damit dem Thema der Metamorphose und des Rätsels.

Für den in Guadeloupe geborenen Kenny Duncan ist Kunst etwas Spirituelles, was sich darin äußert, dass er Talisman-Skulpturen aus gesammelten Fetischobjekten schafft, die ihn vor Gefahren beschützten. Liang Fu, dessen auf Fotos beruhenden Gemälde hinter transparenten Stoffen verborgene menschliche Figuren ohne Eigenschaften zeigen, interessiert sich für das Fließende zwischen Anwesenheit und Abwesenheit. Die Fotografin Marina Gasdonneix erforscht die Beziehung zwischen beobachteter Realität und Simulation sowie die künstliche Reproduktion von Phänomenen wissenschaftlicher und rätselhafter Natur. Augustin Lignier Fotograf und Performer der sich den kleinen Gesten wie den Reaktionen auf das Zuzwinkern oder den nicht sichtbaren Akten wie das Atmen zuwendet. Die Malerin Viktoriia Oreshkoaus der Ukraine setzte sich mit der Darstellung des menschlichen Körpers, den sie als „abwesende Präsenz“ beschreibt, ebenso auseinander wie mit den Themen Identität, Erinnerung und Resilienz.

Der in Teheran geborene Maler und Aktivist Alireza Shojaian verließ sein Land, weil dort eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Frage der queeren Existenz unmöglich war. Die Themen des multidisziplinären Künstler Vincent Voillat mit Affinität zum Handwerklichen, sind Extraktivismus, kollektive, nicht-hierarchische Interaktionen zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem, Erzählungen von unserem Zusammenleben mit der mineralischen Welt wie dem Stein.

Jiechang Yang, in Foshan geboren, einem traditionellen Zentrum für Keramik in China, lernte als Kind nicht nur die Tradition der Keramik, sondern auch die Kalligrafie kennen, weshalb er zwischen diesen Medien und Techniken wechselt. Als Maler setzt er sich nicht nur mit aktuellen Ereignissen auseinander, sondern auch mit der westlichen Kunst und porträtiert sich selbstironisch als Skelett aus Keramik.

Der breite Fächer individueller Sehweisen und die unendliche Fülle der von den Künstler*innen behandelten Themen spiegeln nicht nur den Zeitgeist, sondern auch den in der Kunst geführten Diskurs wider.

Copyright: Heinz-Norbert Jocks / 68projects by KORNFELD, das Bild ist Place de la République, Paris

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